Heute ist gewissermaßen der Sonntag des Guten Hirten. „Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ (Joh 10,11a27.28a)
Zum Bild Gottes als des Hirten und meiner selbst als dem Schaf kann man ganz unterschiedlich stehen: Es kann Vertrauen und Geborgenheit vermitteln, mir Halt geben – oder mich ärgern: Ich als unmündiges Schaf, dem der Hirte sagt, wohin es zu gehen hat.
Ich möchte den Blick auf einen anderen Aspekt lenken: Im Predigttext für heute im 1. Petrusbrief (1. Petrus 2, 21b - 25) heißt es, Jesus ist der Hirte und Bischof unserer Seelen. Und zwar deshalb, weil er gelitten hat.
Gott zeigt sich uns, seine Gnade, seine Fürsorge (wie ein Hirte); vielgestaltig; sicherlich auch überraschend; anders; ungewohnt; manchmal vielleicht sogar: unbequem.
Der 1. Petrusbrief richtet sich an Sklaven, die zum Christentum konvertiert waren. Bei ihrer Herrschaft stießen sie damit auf Unverständnis. Es kam wohl zu Konflikten. Gerade ihnen, die unsichtbar sind, zu funktionieren haben, als Person nicht zählen, gerade ihnen sagt der 1. Petrusbrief: „Ihr seid jemand, ihr zählt, denn ihr habt eine Verbindung zu Jesus Christus! Greift nach der Stärke, die Gott euch gibt!“ – Eine Spur der Gnade.
Und dann gibt es da die Stimme des Leidens in mir selbst. Die laut ist, in mir. Die sich gerne in den Vordergrund spielt. So tut, als sei sie die Einzige. Und dann ist da etwas in mir. Jemand, der diese Stimme hört, ihr zuhört, ihr Raum gibt. Aber es auch schafft, sie auf Abstand zu bringen. Jemand, der andere Stimmen in mir zum Erklingen bringt. Ihnen Raum gibt. Mich in die Balance bringt. Auch das: Eine Spur der Gnade.
Marion Sichert
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